Mit Webigizern zur digitalen sozialen Präsenz.

Veröffentlicht von Marcus Kuhn am

Mit Webigizern zur digitalen sozialen Präsenz

Das fehlende Puzzlestück im Online-Unterricht ist die soziale Komponente. Webigizer sind kurze digitale Auflockerungsübungen, die dabei helfen, die Teilnehmer:innen im Raum auch wirklich ankommen zu lassen. Sie brechen die Anonymität auf und steigern das Wohlbefinden. So sind die besten Voraussetzungen für einen ertragreichen Online-Unterricht geschaffen.

Neue Studien zeigen: Soziale Nähe im Digitalen ist wichtig!

Die Achillesferse der Digitalisierung des Lernens und Lehrens ist die fehlende soziale Nähe – so die große Erkenntnisschnittmenge der meisten Studien zur Online-Lehre. Noch sind es wenige Studien und meist aus dem Hochschulbereich und eigentlich braucht es zeitlichen Abstand, um nachhaltig zu schlussfolgern. Und es stimmt: Die Erkenntnisse aus dem Coronajahr 2020 können aufgrund ihrer besonderen Umstände eigentlich nicht stellvertretend stehen. Dennoch ist diese Erkenntnis sehr naheliegend. Harari (2013) beschreibt die Ursprünge dieses tief verwurzelten Bedürfnisses des Menschens nach sozialer Nähe und Austausch. Und wir alle machen täglich die Erfahrung, dass ein Lachen der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen ist:

Sharing a laugh together not only gives two people a chance to bond emotionally; as we shall see, it also can help them feel better physically. (Weinstein 1997, 15)

Schulschließungen und Fernunterricht führen zu Problemen

Die Erfahrungswelt von Online-Lehre verhält sich jedoch ganz anders als diese Alltagsweisheiten. Virtuelle Klassenzimmer haben kaum sozialen Tiefgang und glänzen durch soziale Unverbindlichkeit. Entsprechend groß war der Widerstand gegen eine erneute Schließung der Schule. „Die Kinder leiden, weil sie die Beziehung zum Lehrer brauchen, um zu lernen, aber auch, weil ihnen die Sozialkontakte fehlen“, schreibt die ZEIT in einem Online-Artikel.

Hierbei geben sich die Schüler:innen und Studierende die Klinke in die Hand. Auch diese beklagen die soziale Unverbindlichkeit und leiden unter den Umständen einer unausgereiften Online-Lehre (siehe auch Podcast Studium im Shutdown). Und auch hier spielt der soziale Faktor eine wesentliche Rolle:

„Ihnen allen, den Forscherinnen, Professoren, Studenten fehlt vor allem eines: die spontane Begegnung. (…) Die Universität Freiburg befragte ihre Studierenden, wie es ihnen im Digitalsemester ergangen sei. Rund die Hälfte leidet vor allem darunter, dass ihnen die sozialen Kontakte fehlen.“ 

(Die ZEIT)

Am Ende dieser Verkettung von Umständen scheitern Lehre und Lernen an den Schwierigkeiten der Selbstorganisation, an Bindung an die Gruppe und Commitment an das Lehrsetting.

"Zoom-Müdigkeit" und Ablenkungen – Bedrohungen für die digitale soziale Präsenz

Ehlers (2020) formuliert in seinem Text zu „Text zum Lesen, Ergänzen und Mitschreiben“ die nachvollziehbare These zur Bedeutung digitaler sozialer Präsenz:

„Überall dort, wo Lehrende es geschafft haben, zusammen mit den Studierenden mehr digitale soziale Präsenz zu entwickeln, sind Onlinestudienerfahrungen während der Corona-Zeit als durchaus produktiv und positiv empfunden worden (…)“

Diese digitale soziale Präsenz wird bedroht: Schnell kann sich eine Online-Lehre-Aversion oder Zoom-Müdigkeit einstellen. Auch der Griff zum ablenkenden Handy passiert schnell. Gerade deshalb ist es wichtig, Methoden, Tipps und Tricks zu finden, die Teilnehmer:innen zum Lachen bringen, das Wohlbefinden steigern und die Aufmerksamkeit erhalten. Am Ende geht es in diesen schwierigen Zeiten um einen besonders ausgefeilten, spannenden und abwechslungsreichen Unterricht, der eben die soziale Komponente als grundlegenden Bestandteil begreift.

Aus Energizer wird Webigizer

Im analogen Unterricht haben Energizer – also Auflockerungs- Konzentrations- oder Teamübungen – in den letzten Jahren bereits einen kleinen Siegeszug durch die Klassenzimmer angetreten. Als Äquivalent können Webigizer dienen. Energizer werden dabei auf die digitale Welt übertragen oder neu erfunden. Im Online-Unterricht können sie einen zusätzlichen Fokus auf das Soziale und Zwischenmenschliche legen. Webigizer helfen so, die Anonymität im digitalen Raum aufzulösen und die soziale Distanz zu kompensieren.

Hin und Web – Ein Webigizer zum Ausprobieren

Beim Webigizer „Hin und Web“ verdecken alle Teilnehmer:innen mit einem Stückchen Papier die Kamera. Die moderierende Person sagt nun beispielsweise: „Alle, die heute einen Kaffee getrunken haben, decken ihre Kamera auf!“ Nach zwei bis drei Durchgängen wird das Zepter weitergereicht und die moderierende Person wählt jemanden aus, der die nächste Runde durchführt.

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Unser Autor
Marcus Kuhn
Marcus Kuhn

Seit 10 Jahren entwerfe ich Konzepte und Projekte für Schulen und NGOs und biete Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften und Pädagog:innen. Bei IQUEL stärke ich meine Kund:innen zu allen Themen der Lehrerfortbildung - digital und vor Ort.


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